„Wir haben nur noch kurze Zeit bei den großen Krisen Klima und Artenvielfalt – und genau hier ist Bio die Lösung“, sagt Tina Andres, Vorstandsvorsitzende des Bundes ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖWL). Der deutsche Bio-Spitzenverband vertritt die Interessen der ökologischen Lebensmittelwirtschaft und feiert 2022 sein 20-jähriges Jubiläum.
Es gibt gute Nachrichten. Die Branchenkennzahlen für Bio in Deutschland zeigen eine dynamische Weiterentwicklung bei Anbau, Verarbeitung und Handel, qualitativ wie quantitativ. Bio-Bestseller waren 2021 Fleisch, Pflanzendrinks und Butter. Eier legten um 7 Prozent zu und erreichten schon einen Anteil von 17 Prozent an allen Eierkäufen. Auf einer Fläche fast so groß wie die Hauptstadt Berlin stellten im vergangenen Jahr deutsche Höfe auf Öko um und im Einkaufskorb der Deutschen landeten Bio-Lebensmittel und -Getränke für 15,87 Milliarden Euro.
Noch wichtiger ist für Tina Andres aber der sich deutlich abzeichnende Trend: „Kundinnen und Kunden unterstützen und begrüßen die Transformation hin zu Öko, Tierwohl, kurzen Lieferwegen und Regionalität.“ Nun sei die Politik gefragt, konkret das Landwirtschaftsministerium.
Was die Agrarpolitik betrifft, sind die Nachrichten weniger erfreulich. Die Pläne, die ab 2023 greifen sollen, benachteiligen Bio-Betriebe und jene, die auf Bio umstellen wollen. „Das muss Cem Özdemir ändern, wenn er es mit dem Umbau ernst meint“, fordert Tina Andres. Und sie untermauert die Dringlichkeit mit Zahlen: „90 Milliarden Euro an Umweltschäden kosten uns der Status quo der Landwirtschaft Jahr für Jahr, das schadet dem Gemeinwohl und geht zu Lasten kommender Generationen.“
Dabei sei die Situation durch die Auswirkungen des Ukraine-Krieges für die Branche ohnehin schon herausfordernd: gestiegene Energiekosten, Rohstoffknappheit bei Glas und anderen nachhaltigen Verpackungsmitteln, steigende Personalkosten infolge der geringeren Verfügbarkeit von Fachkräften. „Kein Vergleich jedoch mit den zerrissenen Lieferketten der Öko-Betriebe in der Ukraine“, sagt Tina Andres. „Gerade dort leistete die Branche enorm viel Öko-Aufbauarbeit, auch Initiatorinnen und Akteure aus Deutschland. Deshalb konnten wir nach Kriegsbeginn auch so schnell und effektiv helfen.“
Auch in Deutschland ist für den Umbau schnelles und effektives Handeln notwendig. „Ein Weiter-So fährt die Landwirtschaft und unsere Ernährung an die Wand“, wird Tina Andres deutlich. Deshalb sei es wichtig, mit einer Stimme gegenüber Politik und Gesellschaft aufzutreten. „Bio-Bäuerinnen und -Bauern sowie Bio-Lebensmittelunternehmer sind Experten für diesen Umbau. Für diese Kompetenz stehen wir als Bewegung und bringen sie als Verband in die politischen Debatten ein, gegenüber den Abgeordneten im Deutschen Bundestag, den relevanten Ministerien und genauso in Bündnissen mit Umwelt- und Tierschutzorganisationen.“
Mut macht ihr, dass die Veränderungsbereitschaft unter Landwirten grundsätzlich da ist. Auch in Hinsicht auf das im Koalitionsvertrag festgeschriebene Ziel von 30 Prozent Bio bis 2030: „Es ist ambitioniert, aber schaffbar. Rechnerisch bedeutet es, dass wir jedes Jahr zwölf Prozent mehr Flächen auf Bio umstellen müssen – das wurde immer wieder erreicht.“
Jetzt müsse man in die Umstellung der Verbraucher investieren. Derzeit läuft die Info-Kampagne „Bio kann jeder“ für eine Stärkung von Bio in der Außer-Haus-Verpflegung. Das ist auch dringend notwendig, da aktuell der Anteil bei unter zwei Prozent liegt. Tina Andres: „Wir erwarten, dass der Bund in seinen Kantinen wenigstens 50 Prozent Bio-Rohstoffe einsetzt.“ Auch ambitioniert, aber auch machbar.
„Bio-Bäuerinnen und -Bauern sowie Bio-Lebensmittelunternehmer sind die Experten für den Umbau der Landwirtschaft.“
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