Zu Besuch bei Airbus in Hamburg-Finkenwerder.
Kein Auto, kein Zug und auch kein Flugzeug würde derzeit funktionieren ohne metallische Bauteile, die im Druckgussverfahren gefertigt wurden. Doch wie sieht die Zukunft aus? Welche Fertigungsverfahren sind künftig gefragt? Die Luft- und Raumfahrtindustrie gilt als Innovationstreiber und erprobt oft neue Verfahren, die danach in anderen Branchen Einzug halten. Einen Blick hinter die Kulissen eines dieser Industrieunternehmen zu werfen ist deshalb immer spannend. Im Rahmen der diesjährigen Fachpressereise anlässlich der EUROGUSS, Internationale Fachmesse für Druckguss, besuchte eine rund 30-köpfige Gruppe den Airbus-Standort im Hamburger Stadtteil Finkenwerder. Mit 137.000 Mitarbeitern weltweit und 65 Milliarden Euro Umsatz ist Airbus der größte europäische Flugzeughersteller. Neben verschiedenen Werken in Deutschland gibt es weitere in Frankreich, Spanien, Großbritannien, China und den USA.
Flugzeugbau im großen Stil begann in Hamburg in den sechziger Jahren. Heute, 50 Jahre später, sind hier über 12.000 Mitarbeiter beschäftigt. Das Werk wirkt wie eine kleine Stadt. Auf einer Halbinsel gelegen, verfügt Finkenwerder nicht nur über einen eigenen Schiffsanleger, der von einer Linienfähre regelmäßig angefahren wird, die täglich tausende Mitarbeiter nutzen. Auch eine eigene Start- und Landebahn gibt es, von der die fertig montierten Flugzeuge der A320-Familie, das Transport-Flugzeug Beluga, bestückt mit vormontierten Flugzeugteilen, aber auch vollständig ausgerüstete Flugzeuge der A380-Familie abheben und landen können.
In Finkenwerder werden Flugzeuge der Airbus-Familie 320 endmontiert. Dazu werden Bauteile aus verschiedenen Werken nach Hamburg geflogen und innerhalb eines Monats vor Ort zusammengesetzt. Die Durchlaufzeit in der Produktion einer A320 vom ersten gefertigten Teil bis zur Auslieferung des Flugzeugs beträgt etwa ein Jahr. Der A320 ist das beliebteste und meistverkaufte Passagierflugzeug, sozusagen der Bestseller des Airbus-Konzerns. Stückpreis etwa 100 Millionen Euro. Jeden Tag verlässt ein Modell der A320-Familie das Hamburger Werk.
Neben der A320-Endmontage hat der Standort auch großen Anteil am Bau der Maschinen der A380, dem mit zwei Passagierdecks größten Verkehrsflugzeug der Welt. So befindet sich hier unter anderem die Strukturmontage und Ausrüstung für die vorderen und hinteren Rumpfsegmente. Diese vollständig ausgerüsteten Bauteile werden dann mit einem Spezialschiff zur Endmontage nach Toulouse gebracht. Die dort fertig montierten A380-Flugzeuge fliegen anschließend nach Hamburg zur Kabinenausstattung und Lackierung. Sie durchlaufen danach Boden- und Flugtests in Vorbereitung auf die Auslieferung an die Kunden, die in Hamburg oder Toulouse erfolgt. Einmal pro Monat wird ein A380 fertiggestellt.
Die Nachfrage nach Flugzeugen wächst weiterhin. Gleichzeitig wird der Ruf nach Klimaschutz lauter. Um auch künftig erfolgreich zu sein, müssen Flugzeughersteller das höhere Passagieraufkommen weltweit mit einer nachhaltigen Strategie (weniger Treifbstoff, weniger CO2-Ausstoß) verbinden. Mit Blick auf Gewichtsersparnis und eine vereinfachte Fertigung, wodurch sich Kosten reduzieren lassen, werden in Airbus-Flugzeugen auch Komponenten eingebaut, die im Druckgussverfahren hergestellt werden, beispielsweise Halterungen und Teile von Sitzen und Armlehnen. Die Druckgusstechnik gibt darüber hinaus den Konstrukteuren viel Freiheit bei der Gestaltung von Bauteilen. In der Entwicklungsabteilung von Airbus tüfteln Experten wie Peter Sander bereits an neuen Leichtbau-Lösungen. Sander ist Diplom-Ingenieur und erforscht bei Airbus in leitender Funktion die Einsatzmöglichkeiten von Zukunftstechnologien im Flugzeugbau. Er beschäftigt sich intensiv mit Bionik, also dem Übertragen von Phänomenen der Natur auf die Technik, aber auch mit 3D-Druck als neuem Fertigungsverfahren. Sein Credo: “learn from nature & print the future“.
Durch 3D-Druck, auch Additive Manufacturing genannt, lassen sich stabilere und leichtere Bauteile als in herkömmlichen Verfahren herstellen. Gewichtsreduktion wiederum führt quasi eins zu eins zu Treibstoffeinsparung und damit zu geringerem CO2-Ausstoß. Weitere Vorteile: Kosten- und Zeiteinsparung, zumindest bei kleinen Stückzahlen. Mit dem Projekt „3D-Druck im zivilen Flugzeugbau“ kam Sander 2015 in die Endrunde für den „Deutschen Zukunftspreis“. Im vergangenen Jahr stellte er den Mini-Flieger „Thor“ vor. Thor ist die Abkürzung für “Test of High-tech Objectives in Reality“. Das Flugzeug ist gerade mal 4×4 Meter groß und besteht aus etwa 50 Bauteilen. Das Besondere: Die Bauteile stammen zu 95 Prozent aus dem Drucker. Bis Passagierflugzeuge komplett gedruckt werden, dürfte noch einige Zeit vergehen.
Trotzdem ist 3D-Druck bereits jetzt für Druckgießereien interessant. Mit additiven Fertigungsverfahren können sie ihr Produkt- und Leistungsspektrum ausbauen, weitere Geschäftsfelder erschließen und neue Geschäftsmodelle entwickeln.
Auf der EUROGUSS stellen vom 16.-18. Januar 2018 mehr als 600 Aussteller unter anderem Produkte zu Rapid-Prototyping oder Rapid-Tooling aus. Infos unter euroguss.de/ausstellerprodukte (Suchbegriff: Rapid-Prototyping, Rapid-Tooling)
Bildrechte:
Airbus