Halle 3C
Magazin
Zukunft gestalten

„Nachhaltigkeit schafft Loyalität bei Mitarbeitern und Attraktivität bei Kunden.“

Das Thema „Nachhaltigkeit“ ist in aller Munde. Warum es für Unternehmen von entscheidender Bedeutung ist, erläutert Prof. Dr. Matthias Fifka im Interview.

Der gebürtige Nürnberger ist Vorstand des Instituts für Wirtschaftswissenschaft und Professor für Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Strategisches und Werteorientiertes Management, an der Universität Erlangen-Nürnberg. In Wissenschaft und Praxis beschäftigt sich Fifka sich mit Fragen der strategischen Ausrichtung, Zukunftsentwicklungen, transformationaler und werteorientierte Führung sowie nachhaltigen Geschäftsmodellen. Aufbauend auf wissenschaftlichem Know-how und langjähriger Beratungserfahrung unterstützt er sowohl mittelständische als auch große Unternehmen in den genannten Bereichen und ist dazu ein gefragter Key-Note-Speaker.

Herr Prof. Fifka, wie definieren Sie den Begriff „Nachhaltigkeit“?

Für mich hat Nachhaltigkeit drei Dimensionen: eine ökonomische, eine ökologische und eine soziale. Aus der Perspektive eines Unternehmens betrachtet heißt das: Wie kann ich wirtschaftliche mit ökologischen und sozialen Zielsetzungen verbinden? Nachhaltigkeit bedeutet für mich also nicht den Verzicht auf wirtschaftlichen Erfolg, sondern finanziell erfolgreich zu wirtschaften unter Berücksichtigung ökologischer und sozialer Ziele. Ein Unternehmen sollte versuchen, einen Mehrwert für sich und die Gesellschaft zu generieren. Durch den Einsatz energieeffizienter Technologien kann ich zum Beispiel meine Kosten reduzieren und gleichzeitig einen Beitrag zum Klimaschutz leisten.

2015 sind die „Sustainable Development Goals“ in Kraft getreten und haben die „Milliennium Development Goals“ abgelöst. Was können Unternehmen aus diesen 17 Zielen für nachhaltige Entwicklung ableiten?

Die SDGs umfassen 17 Ziele, die alle auf eine lebenswerte Zukunft für die Menschen und den Planeten einzahlen. Die Vereinten Nationen (UN) als Urheber machen dabei aber keine harten Vorgaben, sondern fordern dazu auf – egal ob Land, Unternehmen oder Kommune –, sich zu überlegen, wie man durch nachhaltiges Handeln zum Erreichen dieser 17 Ziele beitragen kann. Manche Ziele, wie etwa die Reduktion der globalen Armut, sind für Unternehmen hierzulande nicht so leicht zu verfolgen, während andere wie der Klimaschutz oder Geschlechtergleichstellung unmittelbar greifbar sind.

17 SDGs

Weitere Informationen zu den SDGs finden Sie unter: www.sdgs.un.org

Welche Ziele wären für ein Unternehmen wie die NürnbergMesse, das global aufgestellt ist, von vorrangiger Bedeutung?

Da sind zunächst der Klimaschutz, denn die Durchführung von Messen ist energieintensiv, oder der schonende Umgang mit Ressourcen. Aber auch die Förderung von Innovation (SDG 9), sollte für die NürnbergMesse von großer Bedeutung sein. Eine Messe ist ja nun mal ein Ort, an dem sich Menschen treffen, an dem viele Menschen miteinander in Verbindung kommen aus sehr unterschiedlichen Bereichen und Regionen. Das ist eine hervorragende Grundlage für Innovation und geht Hand in Hand mit dem SDG 17 – der partnerschaftlichen Zusammenarbeit zur Zielerreichung. Die Messe ist sozusagen der Katalysator oder Austauschplatz, auf dem man überlegt, wie man gemeinsam eine nachhaltige Zukunft ansteuern kann.

Wie offensiv sollen Unternehmen nach außen kommunizieren, dass sie sich an den SDGs orientieren?

Als Unternehmen sollte man sich nicht scheuen darzustellen, wie das eigene Geschäftsmodell und entsprechendes Handeln auf die unterschiedlichen Ziele einzahlen. Das setzt aber natürlich voraus, dass auch Substanz vorhanden ist. Also: Dinge nur zu kommunizieren, die wirklich geschehen, die man mit Leben füllen kann. Sogenanntes „Greenwashing“ ist in der heutigen Zeit sehr riskant. Denn wir haben NGOs, Journalisten, aber auch interessierte Bürger, die sehr genau hinschauen. Und wenn ich dann salopp formuliert „Schmu“ betreibe oder Augenwischerei, dann fällt mir das schnell auf die Füße.

Kein Unternehmen ist perfekt, überall gibt es Nachholbedarf oder Verbesserungspotenziale.

Prof. Dr. Matthias Fifka

Prof. Dr. Matthias Fifka, Vorstand des Instituts für Wirtschaftswissenschaft und Professor für Betriebswirtschaftslehre.

Sollte doch ein Fehler passieren, wie sieht erfolgreiches Krisenmanagement aus?

Wenn ein Shitstorm, ein Protest auftritt, dann gibt es nur eine Möglichkeit: Ehrlichkeit, die Bereitschaft, Fehler einzugestehen, wenn diese gemacht wurden, und dann auch glaubhaft aufzuzeigen wie man sich verbessern möchte. Das ist für mich ein ganz grundsätzlicher Punkt in der Kommunikation von Nachhaltigkeit überhaupt. Kein Unternehmen ist perfekt, überall gibt es Nachholbedarf oder Verbesserungspotenziale. Man sollte deshalb offen und ehrlich kommunizieren, was man vorhat, weil das auch eine gewisse Verbindlichkeit schafft. Ich muss mir aber auch bewusst sein, dass ich an dem, was ich kommuniziere, gemessen werde.

Wie messbar ist nachhaltiges Handeln als Unternehmen?

Wir haben einen starken Trend zur Quantifizierung. Es gibt viele freiwillige Standards, wie die Global Reporting Initiative mit über 150 Kennzahlen oder den deutschen Nachhaltigkeitskodex. Diese Messbarkeit hat mehrere Funktionen. Einmal dient sie natürlich dazu, nach außen, für den Leser eines Nachhaltigkeitsberichts, Vergleichbarkeit herzustellen. Ich kann die nachhaltige Performance verschiedener Unternehmen auf Basis von Kennzahlen vergleichen. Zudem schafft es Glaubwürdigkeit, wenn ich anhand von Zahlen sehen kann, wieviel CO2-Reduktion z.B. tatsächlich stattgefunden hat. Nicht minder wichtig ist die interne Dimension, eine verbesserte Steuerung und Optimierung. Unternehmen geben etwa für Emissions-Reduzierung viel Geld aus, und dann sollte auf Basis von Kennzahlen analysiert werden, ob die richtigen Maßnahmen durchgeführt und die entsprechenden Ziele erreicht wurden und sich die Investition somit gelohnt hat.

Arbeitgeberattraktivität und hilft Unternehmen, im Wettbewerb um junge und qualifizierte Menschen zu punkten.

Welche Rolle spielt Nachhaltigkeit für ein Unternehmen beim Recruiting von Mitarbeitern?

Eine ganz entscheidende, das erlebe ich sozusagen jeden Tag. Bei den jungen Menschen, die bei mir studieren, geht es bei der Wahl des Arbeitgebers nicht mehr nur darum, wer am meisten zahlt, wer in der interessantesten Stadt ist oder den Job mit den besten Karriereperspektiven bietet. Sie wollen auch wissen, ob das Unternehmen sozial und ökologisch verantwortlich agiert, ob es überlegt, wie es zu einer nachhaltigen Entwicklung beitragen kann. Es gibt viele Studien, die sehr eindrucksvoll belegen, wie wichtig dieses Thema vor allem für junge, qualifizierte Menschen geworden ist. Nachhaltigkeit ist deshalb ein wichtiger Faktor zur Steigerung der Arbeitgeberattraktivität und hilft Unternehmen, im Wettbewerb um junge und qualifizierte Menschen – im „war for talent“ – zu punkten.

Gibt es so etwas wie eine „nachhaltige Sprache“ in der Kommunikation nach außen?

Nachhaltig kommunizieren bedeutet in erster Linie Verständlichkeit. Wenn man nur mit technischen Termini, wie Recycling, Photovoltaikeinspeisung, Rohmaterialverbrauch oder Ressourceneffizienz um sich wirft, ohne den Menschen zu erläutern, was sich tatsächlich dahinter verbirgt, dann ist das schlecht kommuniziert. Nachhaltige Kommunikation bedeutet für mich Transparenz und es bedeutet Anschaulichkeit, also qualitativ und quantitativ deutlich zu machen, wie man das Thema Nachhaltigkeit umsetzt.

Aus welchen Gründen würden Sie einem Unternehmen wie der NürnbergMesse empfehlen, auf Nachhaltigkeit zu setzen?

Es gibt viele Faktoren, die diesen „business case“ darstellen. Einen habe ich eben angesprochen, die Versorgung des Unternehmens mit qualifizierten Arbeitskräften in der Zukunft. Aber es geht auch um die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die schon im Unternehmen sind. Da schafft Nachhaltigkeit Loyalität, Motivation und eine stärkere Identifikation mit dem Unternehmen. Wichtig ist auch die Attraktivität für die Kunden, in diesem Fall für Besucher und Aussteller. Nachhaltige Messeinhalte werden immer relevanter in der Geschäftsbeziehung. Viele Unternehmen legen darauf Wert, dass sie mit einem nachhaltigen Dienstleister oder Partner kooperieren. Als Aussteller wähle ich lieber eine Messe aus, bei der ich weiß, dass sie sorgsam mit Strom, Wasser und anderen Ressourcen umgeht. Letztendlich ist es aber auch eine Frage des politischen Drucks. Soziale und ökologische Anforderungen vonseiten des Gesetzgebers werden immer stärker, da sollte man gut vorbereitet sein als Unternehmen.

Vielen Dank für das Interview!

Hier erfahren Sie mehr zur Nachhaltigkeit bei der NürnbergMesse.

Redaktionsmitglied Reinhold Gebhart
Reinhold Gebhart
Online-Redaktion // Redakteur bei Vincentz Network
Alle Artikel des Autors

Bildrechte:

  • Heiko Stahl / NürnbergMesse